Die Frau der Wünsche

Heute Abend ist es wieder soweit. Ich werde versuchen, meine Freundin dabei zu unterstützen, sicherer Auto zu fahren. Seit sie ihren Führerschein hat, haben wir das immer wieder einmal gemacht, damit sie mehr Praxis und Routine bekommt.

Glücklicherweise mache ich sie nicht nervös, wenn ich neben ihr sitze!

Sie ist generell eine gute Fahrerin und definitiv besser als ich es mit so wenig Fahrpraxis war.

Generell sind Frauen, finde ich, sowieso die besseren Autofahrer, weil sie beim Fahren weniger bis gar nicht mit ihrem Geschlechtsteil denken und daher viel zurückhaltender unterwegs sind. Aber auch hier bestätigen die Ausnahmen die Regel.

Als wir zum Auto hinunter gehen, gebe ich ihr einen Klaps auf den Po. Sie schaut mich an und sagt lächelnd, "Eh, pass ja auf wo du hinlangst, sonst läufst du nachher nach Hause". Ich lache.

In der Öffentlichkeit mache ich das nicht, aber da wo es keiner sieht, darf ich das ab und zu.

Es ist schon spät an diesem Sonntag Abend und daher ziemlich ruhig auf den Straßen. Genau richtig um weitere Fahrpraxis zu erlangen. Sie lenkt das Auto langsam durch die Straßen und wirkt recht souverän dabei. Wie immer fahren wir ziellos drauf los und Erkunden dabei Gegenden der Stadt in der wir noch nie waren oder nur wenig kennen.

Als ich ihr so zuschaue, denke ich daran wie wir uns kennengelernt haben.

Es ist in meinem Gedächtnis noch sehr präsent, obwohl es nun doch schon über 2 Jahre her ist. Damals war ich schon länger alleinstehend als mir lieb war und ich fand es schwer, eine passende Frau zu finden. Denn mit zunehmendem Alter weiß man immer genauer, was man eben nicht will.

Wir waren beide auf einer dieser Dating Plattformen angemeldet um einen Partner zu finden. Irgendwann fand ich dann ihr Profil und es zog mich direkt irgendwie an. Eine Zeit lang schriebe wir uns fast täglich und führten auch regelmäßige Video Anrufe durch.

Ich glaube, dass wir beide von Anfang an angebissen hatten. Trotzdem blieben wir vorsichtig, denn es treibt sich recht viel Gesindel auf solchen Plattformen herum.

Nach einigen Monaten dann das erste Treffen wozu ich mir zwei Wochen frei nahm und nach New York flog. Lana ist nämlich Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln. Schon gegen Ende des ersten Treffens gingen wir am Abend Hand in Hand durch die Straßen, machten kurze Pausen und redeten über alles was uns in den Sinn kam.

So ging eine Woche sehr schnell vorbei und am Ende der Zweiten wollten wir nicht mehr voneinander lassen.

Tja, und jetzt habe ich sie glücklicherweise, an der Backe!

So fahren wir einige Zeit umher und kommen dabei in eine Gegend in der wir noch nie waren. Es handelt sich eindeutig um eine reine Wohngegend mit vielen alten Häusern und engen Straßen, die beide schon bessere Zeiten gesehen haben. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, fühle ich mich hier wohl, und die kleinen Vorgärten, die alten Bäume an der Straße, tun ihr Übriges dazu. Viele der Gärten sind nicht so gepflegt wie das sonst so der Fall ist. Ein weiterer Grund sich hier wohl zu fühlen, denn ich mag "wilde" Gärten mit Ecken und Kanten. Genauso wie bei den Menschen, weil dadurch alles authentischer wirkt.

Da es vorhin geregnet hatte steigt hier und da Dampf vom Boden auf, was der Umgebung etwas mystisches verleiht. Irgendwie schon cool. Leider habe ich keine Kamera dabei.

Kurz nachdem Lana in eine der engen Straße eingebogen ist, wird uns bewusst, dass es sich um eine Sackgasse handelt. Lana steuert das Auto ans Ende der Straße, weil dort ein Platz zum Wenden zu sein scheint.

Sie versucht in einem kleinem Kreisel zu wenden, aber der Platz reicht nicht ganz aus. Nachdem sie das Auto sehr langsam und vorsichtig etwas zurückgesetzt hat und wieder nach vorne fahren will, ist die Lücke, in die sie fahren wollte, durch ein anderes Auto versperrt.

Was ist denn nun los? Wir schauen uns an und keiner weiß was hier gerade passiert ist. "Hast du das Auto gesehen?" fragt mich Lana aber ich schüttele nur den Kopf. Nach gefühlten 10 Minuten des hin- und her gibt sie auf, denn so wird das nichts und da wir keinen Dudu haben, stecken wir wohl fest.

Da wir hier also erst einmal nicht wegkommen, steigen wir aus und schauen uns nach einer Person um, die wir vielleicht fragen könnten. Aber niemand ist weit und breit zu sehen. Es ist wirklich sehr still hier!

Mir fällt auf wie angenehm die Luft ist und ich atme einige Male tief durch die Nase ein. Die Gerüche der Häuser, Gärten und Bäume vermischen sich zu einem angenehmen frische. Sommerduft. Herrlich!

Nun schaue ich mir das Auto, welches uns den Weg versperrt und von dem wir beide recht sicher sind, dass es dort vorher noch nicht stand, etwas genauer an.

Naja, Auto ist eigentlich falsch, denn es ist ein VW Bulli. Genauso einen wollte ich immer haben, um damit in den Camping-Urlaub fahren zu können. Diese Mini-Camper sind seit vielen Jahren sehr in Mode gekommen und ich kann das verstehen, denn sie sind günstiger und vor allem praktischer als ein Wohnmobil, weil man sie auch im Alltag einsetzen kann. Also sofern man keinen permanenten Umbau vornimmt.

Ich frage mich aber wie wir beide diese große Kiste einfach übersehen konnten!?

Lana schaut mich an und zuckt nur mit den Schultern. Sie ist wohl genauso ratlos wie ich.

Wir warten eine Weile und schauen uns die Häuser etwas genauer an. Zur Linken steht eines mit einem krummen Nadelbaum. Er erinnert mich an Bäume die man aus Asien kennt. Praktisch ein übergroßer Bonsai!

Ah, da hat sich etwas bewegt. Hinter einem Vorhang scheint uns jemand neugierig zu beobachten. Allerdings ist es schwierig etwas zu erkennen, es könnte genauso gut eine Katze gewesen sein.

Da ich aber so ein Gefühl habe, gehe ich auf das Haus zu und kurz bevor ich an der Haustür bin, öffnet sich diese tatsächlich und ein älteres Pärchen steht im Eingang.

Er ist ca. 75 Jahre alt, nicht als zu groß, hat noch volles Haar und schaut etwas mürrisch drein. Gekleidet ist er – altersentsprechend - in kakifarbener Kleidung inkl. alter Pantoffeln.

Wieso ist das eigentlich so, dass ältere Menschen sich so farblos kleiden!?

Sie macht einen jüngeren und agileren Eindruck als ihr Partner, ist ebenfalls schlank, mit leicht ergrautem, gewelltem schulterlangem Haar und ist eher modern gekleidet.

Er beäugt uns misstrauisch, aber sie hat einen offenen und gütigen Blick. Trotzdem stört mich etwas an ihr!

Wir fragen, ob sie wüssten wem die Autos hier gehören, da uns vor allem zwei davon den Weg versperren. Er schüttelt mit dem Kopf und geht wieder ins Haus. Sie meint, dass sie einige Halter kennen würde aber sie wüsste nicht genau, wer was fährt.

Aus dem Nichts heraus fragt uns die Dame, ob wir Interesse hätten unser Auto verkaufen? Wie kommt sie denn jetzt darauf, frage ich mich und nach Lanas Gesichtsausdruck, ist auch sie etwas über den plötzlichen Themenwechsel verwundert.

"Oder", sagt sie "könnten wir auch einfach unsere Autos austauschen".

Ich schaue sie noch etwas überraschter an und sage ihr, dass wir daran kein Interesse hätten und es reichen würde, wenn jemand den Bulli aus dem Weg fahren würde. "Ach der Bulli", sagt sie. Das sei wohl ihrer, aber er würde nur selten genutzt und so ein junges Pärchen hätte dafür doch bestimmt bessere Verwendung. Außerdem sei er ja auch gut in Schuss.

Junges Pärchen? Denke ich. Okay, Lana ist gute 15 Jahre jünger als ich aber selbst mit meinen ü50 bin ich wohl nicht mehr ganz frisch. Na ja, kommt auch darauf an, wie alt die Dame ist. Denn für sie sind wir vielleicht noch jung!?

"Das mag wohl sein aber wir haben kein Interesse an einem Tausch", entgegne ich ihr, da ich ihr und der Sache nicht traue.

Ich bitte sie, ihren Wagen aus dem Weg zu fahren, damit wir uns endlich auf den Weg machen können. Das will sie aber nicht und so fängt ein kurzes Streitgespräch an. Nach einigem hin und her reist mir endgültig der Geduldsfaden, denn sie steht seelenruhig vor uns und bringt mich damit langsam zur Weißglut.

Ich drohe ihr mit der Polizei, wenn sie nicht endlich ihre Karre aus dem Weg fährt und dass ich außerdem nicht verstehen könne, was sie mit unserer alten Karre will.

Sie lässt einfach nicht locker, aber will auch nicht verraten weshalb sie unbedingt unseren alten Golf III haben möchte.

Mittlerweile hat sich ihr Partner auch wieder zu uns gesellt und schaut nichts sagend zu.

Ich werde lauter und gehe einen Schritt auf die beiden zu aber statt zurückzuweichen, stellt er sich vor mich und versucht mich an dem Armen zu packen. Ich gebe ihm einen kleinen Stoß und er geht zu Boden. Mist! Das wollte ich nicht und ich entschuldige mich sofort bei ihm.

Oh man, was ist denn nur mit mir los? Alleine schon den Schritt in deren Richtung zu machen war albern!

Bei dem Sturz hat er sich wohl etwas weh getan. Das ist mir sehr peinlich, denn ich bin kein gewalttätiger Mensch. Selbst vor vielen Jahren als ich mich in einer ähnlichen Situation befand und mir sogar Schläge angedroht wurden, haben ich nicht angegriffen. Wieso hat der das geschafft? Das wurmt mich jetzt echt!

Ich helfe ihm auf die Beine und stütze ihn, während wir ihn ins Haus begleiten. Drinnen entschuldige ich mich erneut bei beiden und versuche erneut, sie dazu zu bringen, uns den Weg freizumachen. Nö, sie gibt noch immer nicht auf.

Lana kümmert sich um den alten Herrn und ich komme mit der Dame des Hauses erneut ins Gespräch.

Sie wundert sich, dass wir das bessere Auto nicht haben möchten. Ich sage ihr, dass es mir nicht um das Auto geht, sondern das ich dem ganzen nicht traue. "Wer schlägt denn so einen schlechten Tausch vor?" Frage ich sie. "Na, ich", sagt sie lächelnd und deutet an, dass wir wieder nach draußen vor das Haus gehen sollten.

Mittlerweile ist die Sonne fast verschwunden und es ist etwas kühler aber nicht kalt geworden. Sie setzt sich auf die Bank vorm Haus, bietet mir den Platz neben sich an und beginnt zu erzählen.

Zunächst darüber, wie lange die beiden hier schon wohnen und wie sehr sie diesen alten Baum mag und diese ruhige alte Ecke der Stadt. Dann wird sie aber recht schnell etwas privater und berichtet mir von ihrer Tochter die vor einigen Jahren bei einem Autounfall starb. Tja und mein alter Golf sei wohl das Auto, indem sie gestorben sei. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, und aus irgendeinem Grund glaube ich ihr das sogar. Auch, wenn mir das Auto als unfallfrei verkauft wurde!

Darauf frage ich sie, weshalb sie das nicht gleich gesagt hat. Aber sie lächelt nur und zuckt mit den Schultern.

Als ich meinen Blick über die ganze Szene vor mir schweifen lasse und beide Autos betrachte, kommt mir die ganze noch eigenartiger als vorhin schon vor. Irgendwas passt nicht, aber ich weiß nicht genau was. Also versuche den Fehler im Bild zu finden und lasse alles noch einmal Revue passieren.

Und dann plötzlich merke ich es! Der Bulli stand dort vorher nicht. Trotz dieser Erkenntnis werde ich gleich wieder etwas unsicher. Es kann doch niemand das Ding plötzlich dort hingezaubert haben! Ich überlege ob ich ihr das sage oder nicht, aber je länger ich warte desto unsicherer werde ich wieder.

Trotzdem wage ich es dann doch und frage sie - nach einem Augenblick - wo das Auto so plötzlich hergekommen sei, denn ich bin mir doch recht sicher, dass es nicht dort stand als wir am Ende der Straße versuchten zu drehen. Sich schaut mich an und entgegnet mir, dass ich mich wohl irren müsse, denn das Auto hätte die ganze Zeit dort gestanden.

Ich schaue sie an und sage, dass das nicht sein kann, denn mir fällt gerade ein, dass Lana sonst nie versucht hätte, am Ende der Straße zu wenden.

Sie zeigt auf einen großen Baum, der auf der anderen Straßenseite steht, und sagt, dass dort doch auch genug Platz sei.

"Nein", sage ich, "da steht auch ein Auto".

Sie kneift ihre Augen leicht zusammen als ob sie damit besser sehen könnte. "Mist", murmelt sie, den habe ich wohl übersehen.

"Wie?" frage ich, "wie übersehen?"

"Ach, nichts", sagt sie etwas abwesend, "habe nur laut gedacht".

Ich bohre aber nach, denn die Dame ist schon etwas schrullig. "Wie übersehen?"

Für einen Moment wird es still zwischen uns. So still, als wären beide in separaten schalldichten durchsichtigen Kabinen eingesperrt. Ich höre förmlich nichts und wir sehen uns nur einander an.

Dabei fällt mir auf, dass zwischen uns eine Art Vertrautheit ist und ich glaube, dass sie von Anfang an vorhanden war. Vielleicht war ich deswegen auch so misstrauisch gewesen!? Keine Ahnung.

Sie strahlt allerdings auch eine Ruhe und Güte aus, der man nur selten begegnet.

Als wir beide so dasitzen, habe ich plötzlich einen sehr schrägen Gedanken, will ihn auch gleich wieder verwerfen aber das funktioniert nicht. Nein, das kann doch nicht sein denke ich, wobei es mir nach weiterem Überlegen eigenartigerweise immer mehr logisch erscheint. Oder habe ich doch zu viel über Verschwörungstheorien gelesen? Tja, und was nun?

Ich überlege noch einen Moment, aber dann plötzlich platz es aus mir heraus, "Wer oder was sind sie?" frage ich sie und sehe sie dabei ernst an.

Habe ich das wirklich gerade gefragt? Wahrscheinlich hält sie mich jetzt für total bekloppt.

Sie tut überrascht, sieht mich fragend an und mir fällt auf wie dunkelblau ihre Augen sind. "Wie meinst du das, David?"

"Na, genauso wie ich es gesagt habe", entgegne ich ihr und versuche dabei sicherer zu wirken als ich eigentlich bin.

"Halt Stopp, woher kennen Sie meinen Namen?".

"Ach" sagt sie, "Ihre Freundin hat sie vorhin so genannt".

"Nein, das hat sie nicht", lautet meine nun etwas energischere Antwort, denn mir kommt das alles doch sehr spanisch vor und ich füge noch hinzu: "Sie sind ja sehr nett und freundlich aber irgendetwas passt nicht. Bitte nehmen sie das nicht persönlich aber ich traue ihnen einfach nicht".

"Das ist schon in Ordnung", sagt sie ruhig. "Das passiert ab und zu halt einmal. Manchen Menschen traut man und anderen eben nicht".

"Das alleine ist es aber nicht", sage ich, "Normalerweise kann man, wenn man jemanden in die Augen schaut, so einiges Erkennen aber bei ihnen ist da nichts. Sie sind ein Buch mit sieben Siegeln für mich und das obwohl ich normalweise recht gut darin bin, andere Menschen einzuschätzen".

"Na ja, ich hatte ne menge Übung darin", sagt sie zwinkernd.

"Wie darf ich das denn verstehen?", frage ich.

"Nun ja, ich bin nicht von hier und da kommt es schon vor, dass einen andere misstrauisch gegenüber sind.

"Woher kommen sie denn?"

"Oh, von weit her", sagt sie mit einem etwas nachdenklichen Gesichtsausdruck.

"Weiter als Europa?", frage ich.

"Oh ja, weiter als Europa. Viel viel weiter..."

Nach einem Moment der Stille wirkt sie weniger nachdenklich und sagt lachend, "Hmm, da habe ich wohl zu viel geplaudert. Vielleicht, ich werde doch langsam alt", schmunzelt sie. "Vor einigen Jahrhunderten wäre mir das nicht passiert!"

WAS, hat sie gerade gesagt? Ich schau sie immer noch an und denke so bei mir, dass sie sich wohl gerade versprochen hat.

Sie grinst und sagt: "Nein, habe ich nicht!".

"Was haben Sie nicht?".

"Na mich versprochen".

Ich schaue sie mit einer Mischung aus Verwunderung und Verwirrung an. Sie lacht wieder, "Ist schon okay, ich mach das nicht immer"

"Was, Gedanken lesen?" 

"Genau."

"Oookaayy", antworte ich und weiß nicht wie ich mich verhalten soll. Was ist die Dame? So ne Art Highlander, eine Außerirdische oder einfach nur verrückt? Rast es mir durch den Kopf.

Sie schaut mich and und ich entgegne nur Sorry, war nicht so gemeint.

"Du hast doch auch vorhin eine gewissen Vertrautheit zwischen uns gespürt oder?"

"Ja", sage ich, "das habe ich".

"Was glaubst du woher das kommt, David?"

"Ganz ehrlich?, Ich habe keinen blassen Schimmer".

"Das macht nichts. Wichtig ist nur, dass du es auch gespürt hast".

Ich weiß gerade nicht was hier passiert aber auf eine eigenartige Art und Weiße fühlt es sich richtig an.

"Na gut", sagt sie lächelnd. "Dann will ich dir mein Geheimnis erzählen. Aber nur, wenn du mir schwörst, dass du es an niemanden weiter erzählst. Kannst du das David?"

Ich bin immer noch etwas misstrauisch aber sage dann leicht nickend: "Ja, ja das kann ich". "Ich bin sehr gespannt was Sie zu erzählen haben".

Sie schaut mich ernst an und fragt: "Wie lange hast du Zeit?"

"Auf jeden Fall nicht mehrere Jahrhunderte", und spiele auf ihre Aussage von eben an. "Mit viel Glück vielleicht noch ein halbes", sage ich lachend.

Sie setzt etwas aufrechter hin und sagt dann: "Okay, dann die kurze Version"

"Ich heiße Ulmarne und bin 364 Jahre alt, von denen ich fast 200 hier auf der Erde verbracht habe".

Ich muss recht große Augen gemacht haben, denn sie lacht wieder und sagt: "Ja, ich bin so ne Art Außerirdische".

Für einen kurzen Moment dreht sich die Welt um mich herum, aber glücklicherweise vergeht das ganze wieder recht schnell.

Gedanken und Bildfetzen rasen in meinem Kopf und für Momente denke ich an alles von den X-Files über They live bis hinzu Contact und dabei wird mir heiß und kalt.

Noch immer schaue ich sie mit großen Augen an und weiß nicht was ich sagen soll. Etwas, was nicht oft passiert, wenn ich meinen Freunden glauben darf.

Sie scheint mir etwas Zeit zu geben und erzählt dann weiter. "Ich bin vor gut 200 Jahren das erste Mal auf die Erde gekommen, um euch zu beobachten. Einfach, weil ich neugierig war".

"In der ersten Zeit fand ich euch recht seltsam und arrogant. Aber nach einer Weile begann ich, euch zu verstehen und entschied mich noch etwas zu bleiben.

Das war kein direkter Fehler und doch irgendwie schon, denn ich lernte eine Frau kennen, in die ich mich sofort verliebte".

"Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich kein Geschlecht in eurem Sinn besitze".

"Sie hieß Margot, Margot Hofmann. Sie war nicht nur wunderschön, sondern für die damaligen Verhältnisse sehr selbstständig und gebildet. Etwas, wie du vielleicht weißt nicht so einfach für Frauen war, und teilweise immer noch ist".

Ich nicke nur und höre wie gebannt zu, denn Ulmarne hat eine sehr schöne Erzähl-Stimme.

"Jedenfalls, lernte ich so die Liebe kennen, die ich vorher nur beobachtet hatte. Wir verlebten wundervolle Jahre".

"Als sie mit 73 starb war ich am Boden zerstört und ich verließ die Erde, wie ich dachte, für immer. Ich dachte, es sei besser, mich von eurem Sonnensystem so weit wie möglich zu entfernen, in der Hoffnung zu heilen und auch zu vergessen".

"Das heilen dauerte fast ein Jahrzehnt. Aber vergessen konnte ich die Erde nie".

"Ich sehnte mich wieder nach dem Leben hier. Und auch den Menschen".

"Weißt du, auch wenn hier einiges falsch läuft, seid ihr Menschen und dieser Planet doch wunderschön und einzigartig.

Ich hoffe nur, dass ihr das irgendwann einmal kapiert!!!"

"Ich auch", murmele ich so vor mich hin, "Ich auch!"

"Dieses Mal kam ich aber als Frau zurück, denn ich wollte auch diese Seite von euch kennenlernen. Ich hatte ne Menge Spaß und es war eine schöne und wilde Zeit. Die Sechziger halt", sagt sie grinsend.

"Irgendwann wird man dessen aber überdrüssig und ich lebte für eine Zeit recht zurückgezogen in Südfrankreich".

"Tja, und dann lernte ich Erwin kennen. Ich war auf einer Urlaubsreise durch Europa und am Ende ging es nach Deutschland. Wir lernten uns in einer Bücherei kennen. So wie im Film. Ich lief ihm buchstäblich in die Arme und es war um uns geschehen. Seitdem teilen wir alles miteinander und waren nie länger als ein paar Tage voneinander getrennt".

"Das ist eine unglaubliche Geschichte" sage ich. "Sehr romantisch aber es erklärt diese Sache mit dem Auto nicht", sage ich grinsend.

"Stimmt" sagt Ulmarne.

"Wie heißt du eigentlich hier in diesem Leben?" frage ich etwas zögerlich.

"Tanja" sagt Ulmarne, "Tanja Müller".

"Also Tanja, was hat es sich mit dem Auto auf sich?"

Sie holt tief Luft: "Ich kann Wünsche erfüllen."

"Was??", schießt es aus mir raus. "Ähm, ich meinte, wie bitte?"

Sie lacht: "Schon gut, David. Ich kann Wünsche erfüllen"

"Hmm, ich wollte aber kein anderes Auto"

"Stimmt aber ich", sagt Tanja lachend.

Ich schaue sie an und sage schelmisch "Wie wäre es mit Weltfrieden?"

"Das kann ich leider nicht und außerdem würde der Frieden nur kurz währen. Das muss von euch selbst kommen!"

"Das leuchtet ein", ist meine Antwort.

"Was wünscht du dir, David?" fragt sie mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck.

"Ich!?", ich überlege eine Weile und sage dann: "Ich möchte meinen ZDE finden und danach leben können".

Sie schaut mich fragend an: "ZDE?"

"ZDE steht für Zweck Deiner Existenz. Es ist aus einem Buch, das ich gelesen habe, als ich unter Depressionen litt und in Therapie war. Es geht darum, seinem Leben einen Sinn zu geben und dadurch glücklich zu werden. Mittlerweile gibt es eine Reihe von den 'Café'-Büchern."

"Café-Bücher?", fragt Tanja

"John Strelecky hat bisher 4 Bücher geschrieben. Und das erste heißt: 'Das Café am Rande der Welt'. Es sind sehr gute Bücher und ich wundere mich, dass eine 365 Jahre alte Frau die nicht kennt."

"364", sagt Tanja.

"Sorry", sage ich. "eine 364 Jahre junge Frau, was machst du denn die ganze Zeit?", frage ich neckend.

Sie lacht auch, wird dann aber Ernst. "Du hast ihn bereits gefunden, aber es wird noch eine Weile dauern, bis dir das klar wird".

"Echt?", entgegne ich, "Das wäre wundervoll!".

Nach einiger Zeit weiteren Schweigens frage ich sie, "Außerirdische können hier also Wünsche erfüllen?"

"Manche können das, aber nicht alle, und auch nur materielle Wünsche" entgegnet sie lächelnd. "Ich kann zwar deine Gedanken lesen, in dich hineinschauen und dir evtl. helfen. Aber die Arbeit musst du schon selber machen".

"Das ist okay", sage ich, "Sonst wäre es wohl auch zu einfach und das Erfolgsgefühl bliebe aus."

"Also habe ich jetzt ein anderes Auto", sage ich zu mir selbst.

"Ja, das hast du", kommt die Antwort von Tanja.

Wir lachen beide.

"Wie ist es da draußen, gibt es noch andere Lebewesen im Universum? Und sind die alle so nett wie du?"

Tanja schaut zu den Sternen und sagt, "Ja, es gibt noch viele andere Arten da draußen. Das Universum ist ein toller Platz".

"Ich würde sehr gerne einmal unsere Erde von da draußen sehen", sage ich leicht betrübt.

Sie nimmt meine Hand und für einen kurzen Augenblick sehe ich wie unsere Erde im Raum hängt. So schön und so erhaben. Dabei bekomme ich eine Gänsehaut und meine Augen werden feucht.

"Vielen vielen Dank, Tanja. Das war unbeschreiblich!"

"Gerne", sagt Tanja.

Nachdem ich mich wieder gefangen habe, schaue hoch zu den Sternen und frage Tanja, "Wie lange bleibst du noch hier?"

"Wenn Erwin mal nicht mehr ist, ziehe ich bestimmt weiter. Ich habe so viele noch so hier nicht gesehen".

"Ja, Reisen ist eine tolle Sache. Ich mag das auch sehr gerne", sage ich. Noch immer den Blick zu den Sternen gerichtet.

"Was meinst du, sollen wir einmal nachsehen, was die beiden so treiben?" fragt Tanja mich und steht dabei langsam auf.

"Eine gute Idee", entgegne ich, wir müssen ja schon Stunden hier draußen sitzen.

"Fast", sagt sie und öffnet die Haustür.

Beim hineingehen dreht sie sich noch einmal kurz zu mir um. "Erzähle einem Menschen, dass es Außerirdische gibt und er kann damit umgehen".

"Erzählst du es einer Gruppe, erhältst du Chaos", füge ich hinzu.

Tanja nickt und geht weiter in Richtung Wohnzimmer.

Drinnen ist alles ruhig und die beiden schauen fern. Ich schaue Lana an und sage ihr das wir das andere Auto wohl nehmen. Sie schaut mich an und sagt nur "Okay, wollen wir dann los? Ich werde langsam müde".

Ich erkundige mich noch einmal bei Erwin, wie es ihm geht, aber winkt nur lachend ab "Alles gut, war ja selbst dran schuld!".

Tanja begleitet mich und Lana nach draußen und gibt mir den Schlüssel für das Auto. "Papiere usw. sind im Handschuhfach"

"Was machst du mit dem ollen Golf?", frage ich.

"Weiß noch nicht genau, wahrscheinlich einfach fahren", sagt Tanja.

Wir tauschen noch einem Blick aus, und jeder weiß, was der andere damit sagen möchte.

Trotzdem umarme ich sie, drücke sie fest und flüstere ihr ins Ohr "Vielen Dank und pass auf dich auf. Darf ich dich irgendwann einmal besuchen?"

"Gerne und na klar!"

Als wir am Auto stehen, drehe ich mich zu ihr um und umarme sie noch einmal. "Danke für das schöne Gespräch und dein Vertrauen!"

"Gerne, David", sagt sie lächelnd, "Sehr, sehr gerne".

Auf der Fahrt nach Hause frage ich Lana ob sie okay sei und entschuldige mich dafür, dass ich sie so lange alleine gelassen hatte. Sie meint, dass es ja nicht so lange war und sie sich mit Erwin wohl sehr nett unterhalten hatte. Er hatte ihr wohl von seiner Beziehung mit Tanja erzählt und wie sich kennengelernt hatten. "Und was hat Tanja so erzählt? Ihr beiden schient recht vertraut zu sein."

"Ja, das sind wir wohl. Sie ist sehr nett. Geredet haben wir über ähnliche Dinge und vieles mehr, aber was meinst du mit nicht so lange? Ich war gute 3 Stunden mit Tanja draußen vor‘m Haus", sage ich etwas überrascht.

Lana schaut mich an: "3 Stunden? Du meinst wohl eher 30 Minuten!?"

Ich schaue sie völlig verdutzt an und dann auf meine Uhr. Tatsächlich es sind gerade einmal etwas über 50 Minuten vergangen, seitdem wir dort angekommen waren.

Lachend sage ich leise zu mir selbst: "Ach, das kann sie also auch..."

"Was kann sie auch", fragt Lana. "Ach, nichts Schatz", sage ich, "alles in Ordnung. Hab dich lieb"

"Ich dich auch" kommt es prompt zurück.

Auf der restlichen Fahrt schweigen wir, aber es ist ein schönes Schweigen und ich bin mir sicher, dass dieser Abend noch lange in mir nachhallen wird.

Insgeheim hoffe ich, dass ich Ulmarne irgendwann einmal wiedersehen werde.